Gibt es ein Pferderecht auf Leben?

 

Manch einer könnte sich über diese Frage wundern. Der passionierte Reiter und Tierliebhaber in mir ruft unwillkürlich: „Aber selbstverständlich gibt es das!“ Doch wie ist das eigentlich aus juristischer Sicht?

 

Der Oberste Gerichtshof hatte vergangenes Jahr darüber zu entscheiden, ob ein Reitstallbesitzer für ein Pferd, welches sich in seinem Stall schwer verletzt hatte und dadurch als Reitpferd dauerhaft unbrauchbar geworden war, die zukünftig anfallenden Behandlungskosten zu bezahlen hat. Gegen eine solche Ersatzpflicht wurde argumentiert, es stehe der Pferdebesitzerin frei, das unbrauchbar gewordene Pferd zur Vermeidung weiterer Kosten einzuschläfern. Das Entstehen weiterer Kosten liege daher in ihrer ausschließlichen Disposition und sei daher nicht vom Reitstallbesitzer zu tragen.

Der Oberste Gerichtshof lehnte eine solche Tötungspflicht zur Schadensminderung ab und verpflichtete den Reitstallbesitzer zum Ersatz jener zukünftigen Behandlungskosten, die auch ein „verständiger Tierhalter“ in der Lage der Pferdebesitzerin aufwenden würde.

Nach dieser grundsätzlich aus Tierhaltersicht begrüßenswerten Entscheidung bleibt jedoch die Frage: Hätte die Pferdebesitzerin das gehandicapte, aber sonst nicht schmerzbelastete Pferd aus Kostengründen einschläfern lassen dürfen?

 

„Pferderecht“ auf Leben?

Pferde, wie auch sonst Tiere im Allgemeinen, haben in Österreich kein subjektives Recht auf Leben. Das Recht auf Leben, wie es in unserer Verfassung verankert ist, steht uns Menschen exklusiv aufgrund unseres Menschseins zu. Ein entsprechendes Pendant für Tiere gibt es nicht.

Stehen Tiere also außerhalb der Rechtsordnung und können wir mit Ihnen daher nach Belieben verfahren, sie also jederzeit auch töten? Nach unserem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch („ABGB“) wird alles, was keine Person ist, als Sache behandelt. Für Tiere gilt:

„Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.“ (§ 285a ABGB)

Im Alltag werden Tiere dennoch wie Sachen behandelt. Ganz selbstverständlich können wir Pferde kaufen (Eigentumserwerb) und uneingeschränkt über sie verfügen, wie es uns beliebt. Das umfasst sogar das beliebige “vertilgen”, also vernichten eines Tieres (§ 362 ABGB). Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Einschläferns zur Kostenvermeidung nicht (mehr) so abwegig. Zumindest, wenn man das Pferd primär als Sache mit einem Nutzwert sieht.

 

Willkürliches Töten also erlaubt?

Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht: Das seit 2004 in Österreich geltende Tierschutzgesetz hat zum Ziel, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere „aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf“, zu schützen.

Laut Tierschutzgesetz ist es verboten, Tiere „ohne vernünftigen Grund“ zu töten. Diese Bestimmung normiert einen (durch zahlreiche Ausnahmen eingeschränkten) Lebensschutz und damit ein grundsätzliches Tötungsverbot für alle Tiere. Ob ein „vernünftiger Grund“ zur Tötung eines Tieres vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen.

Laut dem Obersten Gerichtshof kann die Tötung eines erkrankten oder verletzten Heimtieres (dazu zählen jedenfalls auch Reitpferde) gerechtfertigt sein, „wenn der Zustand des Tieres mit Schmerzen oder Leiden verbunden ist und eine Therapie nach fachkundigem Urteil entweder nicht erfolgversprechend scheint oder unmöglich oder dem Tierhalter (insbesondere aus Kostengründen) nicht zumutbar ist.“ Innerhalb dieser Zumutbarkeitsgrenze ist der Tierbesitzer verpflichtet, das Tier zu behandeln/behandeln zu lassen.

Im konkreten Fall wurden beim verletzten Pferd zwar eine unheilbare Lahmheit, jedoch keine andauernden Schmerzen festgestellt. Eine Tötung des Pferdes wäre daher nach dem Tierschutzgesetz nicht zulässig gewesen.

 

Also doch ein „Recht auf Leben“?

Nur bedingt. Wie bereits dargestellt, werden Tiere in unserer Rechtsordnung wie Sachen betrachtet und können daher selbst keine Rechte – auch kein Recht auf Leben – auf sich beziehen und geltend machen. Weder hat ein Tier das Recht auf Notwehr noch könnte sich ein Dritter, welcher dem Tier in einer Angriffssituation zu Hilfe eilt, auf Nothilfe berufen. Das Leben eines Tieres liegt im Wesentlichen in den Händen seines Eigentümers; nur dieser hat im Rahmen seines Eigentumsrechts einen Anspruch auf Unversehrtheit seines Tieres.

An dieser Gegebenheit ändert auch das Tierschutzgesetz nichts. Zwar normiert das Tierschutzgesetz für den Umgang mit Tieren bestimmte Verhaltensweisen und sanktioniert Verstöße mit Verwaltungsstrafen. Die tatsächliche Schutzwirkung ist aber endenwollend. In unserem Beispielfall wäre das rechtswidrige Einschläfern des invaliden Pferdes nicht mehr als eine Verwaltungsübertretung, also so etwas Ähnliches wie Falschparken.

Dagegen ließe sich zwar sagen, dass die Verwaltungsstrafe für die widerrechtliche Tötung immerhin bis zu EUR 7.500,00, im Wiederholungsfall sogar bis zu EUR 15.000,00, beträgt. Stimmt schon. Ein Blick ins Strafrecht macht die unterschiedlichen Wertigkeiten zwischen Mensch und Tier dann aber doch recht deutlich: Für den Mord an einem Menschen sieht § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren bzw lebenslange Freiheitsstrafe vor.

Fazit: Unsere treuen vierbeinigen Partner in Sport und Freizeit sind auch weiterhin darauf angewiesen, dass wir ihnen gewogen bleiben und unsere Verantwortung ihnen gegenüber wahrnehmen. Denn ihr Leben liegt in unserer Hand.

 

 

Dieser Artikel ist in der Western News 1/2021 erschienen.