Streit auf der Koppel

Zur Haftung bei Koppelverletzungen

 

Es ist wieder soweit: Endlich dürfen auch die Pferde wieder über die Koppel fegen, die während der kalten Jahreszeit ihrem Bewegungsdrang nur eingeschränkt – auf einem kleinen Paddock oder überhaupt nur in der Halle – nachgeben durften. Darum geht es gerade am Beginn der Koppelsaison oft „heiß her“. Die Pferde toben sich aus, möglicherweise hat sich zudem die Herdenhierarchie zwischen den bekannten Kollegen verschoben oder ein „Neuer“ wird in die Gruppe eingeführt und die Hierarchien müssen erst wieder erkämpft und errungen werden. Da kann es schon mal schnell zu Streitereien und körperlichen Kollateralschäden kommen.

Wie wir wissen, sind kleinere Blessuren – mal ein Biss oder eine oberflächliche Schramme – im Rahmen der Gruppenhaltung nicht gänzlich vermeidbar. Wird jedoch ein Pferd durch einen Koppelkollegen ernsthaft verletzt oder kommt sogar zu Tode, stellt sich natürlich die Frage, ob hierfür jemand die Verantwortung und insbesondere die daraus resultierenden Kosten (Tierarzt!) übernehmen muss.

Das „Täterpferd“ selbst ist fein raus; mangels Rechtsfähigkeit muss es sich in unserem Rechtssystem vor niemandem rechtlich verantworten. Wie aber sieht es mit dem Halter des Pferdes und dem Betreiber des Einstellbetriebs aus?

 

Haftung des Tierhalters

Tierhalter ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über das Tier ausübt und diesbezüglich weisungsfrei ist, beziehungsweise derjenige, der das Tier auf eigene Rechnung, dh, im eigenen Interesse nutzt. Das kann der Eigentümer, aber auch der Mieter oder Entlehner des Pferdes sein. Dieser Tierhalter haftet gemäß § 1320 ABGB für den durch sein Pferd verursachten Schaden, wenn er schuldhaft nicht für die erforderliche Verwahrung des Pferdes gesorgt hat. Die Haltung des Pferdes auf der Koppel oder Weide gilt regelmäßig dann als Erfüllung der nach § 1320 ABGB erforderlichen Verwahrung, wenn das Pferd ordnungsgemäß in eine Herde eingewöhnt wurde und kein auffälliges – vor allem kein für die anderen Pferde gefährliches – Verhalten an den Tag gelegt hat. Wurden diese Punkte berücksichtigt, besteht regelmäßig keine Haftung des Tierhalters für durch sein Pferd verursachte Koppelunfälle. Allerdings muss im Falle des Falles der Tierhalter beweisen, dass er für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung seines Pferdes gesorgt hat.

Anders ist die rechtliche Situation in Deutschland: Da führen durch Pferde verursachte Koppelunfälle häufig zu einer Haftung des Tierhalters. Das liegt daran, dass dort der Tierhalter gemäß § 833 BGB verschuldensunabhängig für sämtliche Schäden haftet, die sein Pferd verursacht hat. Eine solche sogenannte Gefährdungshaftung kennen wir in Österreich etwa für Autounfälle (siehe das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz); in dieser Ausprägung gibt es sie jedoch nicht bei der Tierhaltung.

 

Haftung des Einstellbetriebes

Die Tierhalterhaftung kommt auf den Betreiber eines Einstellbetriebes hinsichtlich der bei ihm eingestellten Fremdpferde regelmäßig nicht unmittelbar zur Anwendung, da es meist an der Weisungsfreiheit wie auch der Nutzung auf eigene Rechnung bzw im eigenen Interesse mangeln wird. Der Einstellbetrieb könnte allerdings im Rahmen der Tierhalterhaftung als Gehilfe des Tierhalters angesehen werden (verwahrt das Pferd für den Tierhalter) und könnte von diesem im Schadenfall allenfalls im Regresswege in Anspruch genommen werden.

Primär haftet der Einstellbetrieb seinen Einstellern für allfällige Verletzungen ihrer Pferde jedoch aus dem abgeschlossenen Einstellvertrag. Im Sinne der hier zur Anwendung kommenden Bestimmungen des Verwahrungsvertrages (§§ 957 ff ABGB) hat der Betreiber das in Verwahrung genommene Pferd sorgfältig zu betreuen und darauf achtzugeben, dass dieses keinen Schaden erleidet (oder gestohlen wird). Dies gilt natürlich auch für den Koppelbetrieb. Sollte also das Pferd eines Einstellers durch ein anderes Pferd ernsthaft verletzt werden, so stellt sich die Frage, ob dem Einstellbetrieb ein Vorwurf gemacht werden kann. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn dem Betreiber schon längst aufgefallen ist oder auffallen hätte müssen, dass ein Pferd auffällig aggressiv gegenüber anderen ist und er trotzdem nichts dagegen tut.

Heikel ist für den Einstellbetrieb in diesem Zusammenhang die sich aus dem Verwahrungsvertrag ergebende Beweislastumkehr: Stellen wir uns vor, das eingestellte Pferde wird in der Früh gesund auf die Koppel zu seinen Kollegen gebracht und kommt dann am Abend „auf drei Beinen“ zurück. Wird der Einstellbetrieb in der Folge mit Schadenersatzansprüchen des Pferdebesitzers konfrontiert, muss der Einstellbetrieb beweisen, dass ihn an der Lahmheit kein Verschulden trifft. Sofern es nicht zufällig Augenzeugen oder Videoaufnahmen zum Vorfall gibt, wird der Einstellbetrieb diesen Beweis meist nicht führen können. Lässt sich die konkrete Unfallursache nicht feststellen, ist der Einstellbetrieb haftbar. Eine gute Betriebshaftpflichtversicherung ist daher empfehlenswert.

 

Fazit

Als Pferdebesitzer, dessen Pferd auf der Koppel durch ein anderes Pferd verletzt wurde, kann man sich mit seinen Schadenersatzansprüchen grundsätzlich sowohl an den Besitzer des schädigenden Pferdes als auch an den Einstellbetrieb wenden. Bei Ersterem wird dies aus den genannten Gründen meist wenig erfolgversprechend sein; ob der Einstellbetrieb seine Obsorgepflichten als Verwahrer verletzt hat, bleibt im Einzelnen zu prüfen. In Zweifelsfällen stellt aber die den Einstellbetrieb treffende Beweispflicht im Gerichtsverfahren eine gewisse Erleichterung für den geschädigten Pferdebesitzer dar.

 

Dieser Artikel ist in der Western News erschienen.